„Das will doch keiner sehen“

Manchmal habe ich unglaublich Lust zu bloggen, aber mir fehlen Bilder. Manchmal habe ich unglaublich viel genäht, aber doch nichts das ich zeigen kann, weil es für meinen Sohn war oder zu einem Probenähen gehört, das noch nicht abgeschlossen ist. Manchmal habe ich ein Thema, und mir fehlen dazu du Bilder. Solche Situationen frustrieren mich, und ich habe beschlossen einen Beitrag, zu dem es keine passenden Bilder gibt einfach trotzdem zu schreiben. Dazu muss ich zwar etwas länger ausholen, aber diese Zeit will ich mir heute nehmen.

Als ich den ersten Satz geschrieben habe, wusste ich noch garnicht, dass ich diesen Beitrag, den ich schon so lange im Kopf herumtrage heute schreiben werde. Aber er möchte endlich geschrieben werden, und eigentlich braucht er garnicht die Bilder, die ich ursprünglich geplant hatte.
Die Idee für diesen Beitrag kam mir in einem Probenähen, und eigentlich wollte ich den Beitrag mit Bikinibildern garnieren und etwas provozieren, aber ich setze statt auf provokante Bilder heute lieber auf eingängige Worte.

Eigentlich könnten meine Gedanken fast jedem Probenähen und jeder Nähgruppe entspringen, denn es geht mir um einen Satz, den ich immer und immer wieder lese, einen Satz, mit dem sich tolle Frauen klein machen, aus ganz unterschiedlichen Gründen.
„Das Will doch keiner sehen!“ Ist nämlich nicht etwa ein Satz, den irgendjemand in die Kommentare unter ein Foto schreibt, und mit dem sich belegen ließe, dass die Nähwelt so hart und rauh und unschön verkommen wäre- es ist ein Satz, den Frauen viel zu oft über sich selbst sagen.

Und das sagen oder schreiben sie tatsächlich nicht so, dass man ihnen fishing for compliments unterstellen könnte, sondern durchaus so, dass man es als ernsthafte Selbstkritik verstehen kann.
So eingeprägt hat sich mir dieser Satz, weil in einem Probenähen an dem ich im Sommer teilgenommen hatte überlegt wurde, ob man die fertigen Stücke nicht nach dem Beispiel der berühmten Dove-Werbung inszenieren und unter das Motto „We all are different, but we all love..“ stellen könnte, mit einer Collage auf der alle beteiligten Näherinnen bauchfrei zu sehen gewesen wären. Die Umsetzung ist nicht geglückt, aber dafür hat sich mir eingebrannt, welche Zweifel die vielen wirklich tollen Frauen, die bei diesem Probenähen dabei waren, hadern ließen, entsprechende Fotos zu machen.

Es war übrigens nur eine, die Bedenken hatte solche Bilder online zu zeigen, weil das Internet nicht vergisst! Die meisten Gründe begannen mit „Das will doch keiner sehen“…

… ich bin doch schon über 40
… ich bin ja nicht so schlank wie ihr
… mein Bauch hat ja schon drei Kinder mitgemacht

und vieles mehr.

Wisst ihr was? Ich finde das schade! Ich finde nicht, dass eine Frau sich ab 40 nicht im Minirock oder bauchfrei zeigen darf, wenn sie sich damit wohlfühlt. Ich finde nicht, dass ein Bauch versteckt gehört, weil er etwas runder ist. Ich finde nicht, dass man einen Körper, der Spuren von Schwangerschaften trägt verbergen muss, denn warum geht es denn darum was die ANDEREN sehen wollen?
Maßstab für alles was wir von uns zeigen sollte sein, wie wir uns selbst sehen möchten! Wie wir uns schön finden! Und ja, ich weiß, dass es einige als Provokation empfinden wenn man einen runden Bauch im Bikini zeigt, oder eine Frau Oberschenkel hat, die sich berühren, und sie trotzdem nicht auf Hotpants verzichten möchte.

Ich weiß genau warum sich diese vielen tollen Frauen gesorgt haben, ob sie mit ihren Körpern Anstoß erregen, weil es ja unnötig sei, sich so zu zeigen, seine Unvollkommenheit zur Schau zu stellen. Ich weiß, dass man Online immer Angst vor Häme und Angriffen haben muss. Und ich rufe trotzdem dazu auf: Tut es! Ihr habt ein Recht dazu zu sein wer ihr seid! Und wir müssen uns alle nicht wegen der Meinung anderer Leute verstecken. Was sie sehen wollen ist egal, denn sie haben immer die Möglichkeit wegzuschauen! Kein Körper verstößt durch seinen Anblick gegen die Regeln des Anstands! Und das dürfen wir uns auch nicht einreden lassen!

Ganz unpassend zu diesem Thema sind meine Bilder doch nicht. Auch enge oder kurze Röcke und durchsichtige Blusen werden gern als anstößig empfunden. Und ich kenne auch Leute, die sagen würden, dass solche Schnittmuster nicht bis Größe 44 reichen sollten- der Größe in der ich den Rock „Liane“ von Schnittgeflüster genäht habe (und ich habe ihn sogar noch gute 15 zentimeter gekürzt!). Und trotzdem zeig ich ihn euch hier voller Freude und Stolz. Freude, weil ich so begeistert vom Stoff war, der ein echtes Schnäppchen war und sich toll verarbeiten ließ. Stolz, weil ich mich durchaus ansehnlich finde in diesem Rock, und dazu mischt sich eine große Prise Begeisterung, weil der Schnitt so schnell und einfach umzusetzen ist, und ich solche „Nähquickies“ für schnelle Erfolgserlebnisse und Basics für meinen Kleiderschrank zwischendurch einfach brauche.

Rock: Schnitt „Liane“ von Schnittgeflüster (gibt es hier), aus Stretchjaquard von Stoffideen Hannover
Bluse: Schnitt „Lanea“ von Sara&Julez (gibt es hier), aus weißem Chiffon von Stoffkontor
verlinkt: RUMS, und als „Rock“ für den Buchstaben R zu den „12 Letters of Handmade Fashion“

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2 Kommentare

  1. Dein Rock ist mir natürlich superpositiv aufgefallen. Steht dir 1a.
    Zu deinem Post, ich gebe dir Recht, den was ich ja grade an den Nähblogs toll finde ist doch, das wir alle unterschiedliche Figuren, Staturen, Größen und Problemzonen haben und wir uns trotzdem tolle Sachen die zu uns passen nähen können und so kann man sich doch immerwieder was von anderen abschauen, sich inspirieren lassen. Da wäre es doch schade, wären wir alle gleich.
    Liebe Grüße,
    Petra

  2. Schöner Post mit vielen wahren Worten und total tollen, wunderschönen Bildern! Bleib unbedingt, wie du bist!
    Viele liebe Grüße,
    Daniela (Frauenmasche)

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